Einmal in den „Zauberwald“ und zurück
ein Flug mit DuoDiscus XLT und Ventus 2 CM am 03.05.2023
von Hinrich Spielmann
Schon am Sonntag zuvor zeichnete sich für Mittwoch, den 03.05.2023, eine sehr gute Wetterlage für einen ausgedehnten Streckenflug ab.
„Die zuvor eingeflossene labile Kaltluft gerät unter Hochdruckeinfluss. Das Wettergeschehen beruhigt sich. Es kann sich gute Wolkenthermik ausbilden.“
So heißt das im offiziellen Flugwetterbeicht des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Vorsichtshalber wurde der Tag dann auch sofort im Kalender von Terminen freigeschaufelt und ein OFF-Tag eingereicht, ein Windenfahrer und die Bodencrew gesucht. Nichts leichter als dass, in einer Viertelstunde waren alle nötigen Startvoraussetzungen geschaffen, jetzt musste nur noch das Wetter mittspielen. Erfreulicherweise blieb die Vorhersage bis zum Tag X unverändert positiv, so dass am Dienstag Abend alle Beteiligten wussten, dass am nächsten Tag um spätestens 10:00 Uhr Ortszeit gestartet werden soll. Die erste Streckenplanung sah für uns, Levin Gogalla und mich, die Crew im DuoDiscus, einen Dreiecksflug gegen den Uhrzeigersinn um Hamburg herum vor mit ca. 700km zu fliegender Distanz.
Die Wettervorhersagen am Flugtag untermauerten zunächst das geplante Vorhaben. Auf der Fahrt zum Flugplatz konnten wir einzelne, mit Raureif bedeckte Grasflächen entdecken, denn es gab in dieser Nacht noch vereinzelt Minustemperaturen. Dies sprach für eine niedrige Auslösetemperatur für die Thermik. Gegen 07:45Uhr trafen wir am Flugplatz in Wahlstedt ein und begannen sogleich, die Flugzeuge vorzubereiten. Im Falle des Duos bedeutete dies, die Außenflächen anzustecken und für guten Flugkomfort etwas Wasser in den Hecktank einzufüllen, was zu besserem Flugverhalten führt.
Gegen 09:00 waren dann alle Flugvorbereitungen am Flugzeug abgeschlossen und das Wetter gab uns zu verstehen, dass wir mit dem Start nicht mehr lange warten sollten – es bildeten sich schon die ersten vernünftigen Wolken.
Kurz vorm Start unterhielten wir uns mit den Piloten der anderen Flugzeuge. Ingo Bielenberg riet uns aufgrund der sehr guten Wetterlage im Osten Deutschlands und West-Polens zu einer Flugwegführung über die Grenze in Richtung „Zauberwald“. Zauberwald, jener magische Begriff in der Streckensegelfliegerei, den die meisten streckenflugbegeisterten Segelflieger in Deutsch schon einmal gehört haben. Gemeint ist damit ein Waldgebiet westlich von Posen zwischen den Flüssen Warthe und Netze. Bei guten Wetterlagen wie heute herrschen dort häufig die besten Segelflugbedingungen: starke Aufwinde und hohe Wolkenuntergrenzen. Kurz entschlossen warfen wir die Planung des Dreiecksflugs um Hamburg zugunsten einer neuen Erfahrung über den Haufen um Ingo in seinem Ventus MikeNovember „MN“ zu folgen.
Um viertel vor 10 Uhr Ortszeit waren wir auch schon in der Luft, so dass das Flugabenteuer beginnen konnte. Schon kurze Zeit nach dem Start hatten wir im Vereins-DuoDiscus DeltaDelta „DD“ genügend Höhe gewonnen, so dass wir abfliegen konnten. Nachdem uns die MN quasi im Vorbeiflug abgeholt hatte, hatten wir zunächst auch unseren Kameraden Jack Busch im Vereins-Discus SiebenZwo „72“ dabei.
Im Nu flogen wir dann auch schon an Lübeck vorbei. Bald war auch schon Schwerin in Sicht.
Im flotten Tempo flogen wir auf die Müritz zu.
Kurze Zeit später war dann auch schon Neustrelitz mit seinem markanten Marktplatz erreicht. Ab Neustrelitz wurde das Wetter auch deutlich besser, so dass wir das bis hier hin eh schon hohe Tempo noch steigern konnten.
So waren wir nach knapp 4:15h Flugzeit im Zauberwald angekommen, was sich an den guten Steigwerten bemerkbar machte. Hatten wir bis hier hin meiste mittlere Aufwinde im Kreisflug von 2-3m/s, konnten wir nun im Geradeausflug solche Aufwinde nutzen.
Die allerbesten Aufwinde mit über 4m/s haben wir lieber im Kreisflug genossen.
Kurz Darauf hatten wir dann auch den weitesten Punkt zu unserem Heimat- und Zielflugplatz Wahlstedt erreicht – es wurde Zeit die Nase des Flugzeugs wieder Richtung Heimat zu drehen und den Rückflug zu starten. Es war einfach gigantisch. Die Rechnung war einfach, schaffen wir es von hier nach Hause, haben wir am Ende des Tages über 900km geflogen.
Gegen 16:15 hatten wir die Oder wieder Richtung Heimat überflogen und lagen eigentlich gut im Zeitplan. Aber in der Streckensegelfliegerei entscheidet leider sehr oft das Wetter über Erfolg und Misserfolg des Vorhabens.
Das wussten wir hier aber noch nicht. Und so flogen wir optimistisch gen Heimat.
Am Ende reifte jedoch recht schnell die Erkenntnis, dass das Wetter in Richtung Heimat sich nicht zu unseren Gunsten gehalten hatte, sondern merklich abgebaut hatte, so wie wir Segelflieger das nennen. So ging es dann in niedriger Höhe am Snowdome in Wittenburg vorbei und kurze Zeit später haben wir dann das Hilfstriebwerk unseres Segelflugzeugs ausgefahren und gestartet, dass uns einen stressfreien Heimflug mit Landung in Wahlstedt ermöglichte. Ingo startete sein Triebwerk wenig später.
orbei ging es an der Domstadt Ratzeburg in Richtung Heimat und Abendsonne.
Am Ende trafen wir Ingo in der MN kurz vor der Landung über Bad Segeberg wieder. So konnten wir nach diesem tollen Flug einen schönes Finish-Foto vor den beiden Flugzeugen in abendlicher Sonne schießen.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei unserer Bodencrew Klaus Tanneberg (Windenfahrer), Klaus Hase (Startleiter und Flächenhalter) und vor allem Ingo bedanken, der mit uns diesen faszinierenden Ausflug nach Polen unternommen hat und uns fast bis nach Hause gebracht hat.
Daten des Fluges für die DD:
Flugzeit: 10:12h
geflogene Strecke im reinen Segelflug: 856km
Link zum Flug: https://www.weglide.org/flight/253281
Daten des Fluges für die MN:
Flugzeit: 10:26h
geflogene Strecke im reinen Segelflug: 919km
Link zum Flug: https://www.weglide.org/flight/253286